Bevor ich Mama wurde, stolperte ich nie über
Spielzeug oder vergaß den Text eines
Gute-Nacht-Liedes.
Ich machte mir keine Sorgen darüber, ob
meine
Pflanzen giftig sind oder nicht.
Ich machte mir nie Gedanken übers Impfen.
Bevor ich Mama wurde - hat mich nie jemand
vollgekotzt,
vollgeschissen,
a ngenagt,
vollgepieselt.
Ich war im Vollbesitz meiner geistigen
Kräfte.
Ich schlief jede Nacht durch.
Bevor ich Mama wurde, mußte ich nie ein
schreiendes Kind festhalten, damit Ärzte es
untersuchen können.
Oder ihm eine Spritze geben.
Ich hatte nie in tränenüberströmte Augen
gesehen und dann selbst angefangen zu weinen.
Ich war nie überglücklich über ein einfaches
Grinsen.
Ich saß nie zu später Stunde wach, nur um
einem Baby beim Schlafen zuzusehen.
Bevor ich Mama wurde, hielt ich nie ein Baby
im Arm und wollte es einfach nicht ins Bett
legen.
Ich kannte nicht das Gefühl, daß mein Herz
in
Tausend Stücke zerbricht, wenn ich den
Schmerz nicht stoppen kann.
Ich wußte nicht, daß etwas so Kleines mein
Leben so stark beeinflussen kann.
Ich wußte nicht, daß ich jemanden so lieben
kann.
Ich wußte nicht, wie sehr ich es lieben würde,
Mama zu sein.
Bevor ich Mama wurde - kannte ich das Gefühl
nicht, wenn mein Herz außerhalb meines
Körpers ist.
Ich wußte nicht, wie toll es sich anfühlt,
ein hungriges Baby zu füttern.
Ich kannte nicht dieses Band zwischen einer
Mutter und ihrem Kind.
Ich wußte nicht, daß ich mich durch so etwas
Kleines so wichtig und glücklich fühlen
kann.
Bevor ich Mama wurde - stand ich nie mitten
in der Nacht alle 10 Minuten auf, um zu
sehen, ob alles ok ist.
Ich kannte nicht die Wärme, die Freude, die
Liebe, den Herzschmerz, das Erstaunen und
die
Befriedigung des Mutterseins.
Ich wußte nicht, daß ich fähig bin, so viel
zu fühlen - bevor ich Mama wurde.
Von den Kindern
Deine Kinder sind nicht deine Kinder.
Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht
des Lebens nach sich selbst.
Sie kommen durch dich, aber nicht von dir,
und obwohl sie mit dir sind, gehören sie dir doch nicht.
Du kannst ihnen deine Liebe geben,
aber nicht deine Gedanken,
denn sie haben ihre eigenen Gedanken.
Du kannst ihrem Körper ein Heim geben,
aber nicht ihrer Seele,
denn ihre Seele wohnt im Haus von morgen,
das du nicht besuchen kannst,
nicht einmal in deinen Träumen.
Du kannst versuchen, ihnen gleich zu sein,
aber suche nicht, sie dir gleich zu machen.
Denn das Leben geht nicht rückwärts
und verweilt nicht beim Gestern.
Du bist der Bogen, von dem deine Kinder
als lebende Pfeile ausgeschickt werden!
Der Schütze sieht das Ziel
auf dem Pfad der Unendlichkeit,
und er spannt euch mit seiner Macht,
damit seine Pfeile schnell und weit fliegen.
Lasst euren Bogen von der Hand
des Schützen auf Freude gerichtet sein.
Denn so wie er den Pfeil liebt, der fliegt,
so liebt er auch den Bogen, der fest ist.
Khalil Gibran, arabischer Dichter
(1883-1931)
Liebe Eltern,
ich komme zu euch als ein kleines, unreifes Wesen mit der mir ganz eigenen Persönlichkeit. Ich bin nur kurze Zeit bei eich - genießt mich.
Nehmt euch Zeit herauszufinden, wer ich bin, wie ich mich unterscheide von euch und was ich euch geben kann.
Bitte gebt mir Nahrung, wenn ich hungrig bin. In deinem Bauch, Mama, habe ich keinen Hunger gekannt, und Zeit und Uhren sind mir noch fremd.
Bitte haltet mich nah an eurem Körper, liebkost mich, streichelt mich, küsst mcih, erzählt mir. In deinem Bauch, Mama, fühlte ich mich immer getragen und ganz nah bei dir. Ich war da nie allein.
Ich hoffe, ihr seid nicht zu enttäscht, wenn ich nicht das perfekte Baby eurer Träume und Hoffnungen bin. Seid auch nachsichtig und großzügig mit euch selbst, wenn ihr nicht die perfekten Eltern seid, die ihr so gern wärt.
Erwartet nicht zuviel von mir und erwartet auch nicht zuviel von euch als Eltern. Gebt uns beiden sechs Wochen - sozusagen als Geburtstagsgeschenk. Sechs Wochen für mich, dass ich reifen kann, mich stabilisiere und meinen Rhythmus finde und sechs Wochen für euch, wieder allmählich zu euch zu kommen und mich in euer Leben zu integrieren.
Bitte vergebt mir, wenn ich viel weine. Habt Geduld mit mir. Mit der Zeit werde ich immer weniger weinen und euch mit meiner Gesellschaft erfreuen.
Achtet gut auf mich- schaut mir aufmerksam zu, denn ich kann euch auch so ohne Worte sagen, was ich brauche, wie ihr mich trösten könnt und was mich zufrieden macht. Ich bin wirklich kein Tyrann, der zu euch gekommen ist, um euch euer Leben zu vermiesen. Aber der einzige Weg, wie ich euch momentan zu verstehen geben kann, dass mir etwas fehlt, ist Weinen.
Bitte denkt daran, dass ich ganz schön zäh und widerstandsfähig bin. Ich kann schon viele Fehler aushalten, die ihr anfangs aufgrund eurer Unerfahrenheit natürlicherweise machen werdet. Solange ihr mich lieb habt, kann eigentlich nichts schief gehen.
Bitte achtet auch auf euch. Seht zu, dass ihr euch ausgewogen ernährt und genügend Ruhe und Bewegung bekommt, damit ihr euch in den Zeiten in denen wir zusammen sind, gesund und kräftig fühlt. Versucht, zwischen "unwichtig" und "wichtig" zu unterscheiden, seht Dinge etwas gelsassener - dann könnt ihr mich viel besser genießen.
Und bitte hegt und pflegt auch eure Beziehung zueinande, weil diese mein Nährboden ist und mir zeigt, wie man Menschen lieb haben kann.
Wenn ich auch momentan euer Leben ein bisschen durcheneinander gebracht habe, so denkt daran, dass dies nur vorübergehend ist.
Ich danke euch.
Euer Kind.
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